Haltung ist wichtiger als Wissen

Ich finde es sehr schade, wenn angebliche geistige Überlegenheit als Ausrede dafür hergenommen wird, dass jemand sein Leben nicht selbstbestimmt gestalten kann. Vor allem ist es doch kein Wettbewerb! Aber es stimmt schon.

Ich ticke ein bisschen anders.

Der eine Unterschied, den ich zwischen mir und vielen anderen Menschen sehe ist lediglich, dass mir noch immer nicht abtrainiert werden konnte, alles immer mal wieder zu hinterfragen, mich und meine Ansichten inklusive. Seit ich mit der Deschooling-Phase durch bin, kann ich auch weider neuen Input freudig verarbeiten, was den Prozess intensiviert und beschleunigt.

Zusätzlich habe ich irgendwann begonnen möglichst nur noch das zu tun, was sich für mich wirklich richtig anfühlt.

Damit ecke ich sehr viel an, stoße Menschen vor den Kopf oder verletze Gefühle.

Oft holen meine Entscheidungen auch starke Ängste hervor, speziell wenn es um meine Kinder geht. Das macht es sehr schwierig, bei mir zu bleiben und mich nicht von den Gefühlen anderer verwirren zulassen. Ich darf immer wieder üben, mich weder in trotziges Verkrampfen, noch in ängstliches Nachgeben hineinziehen zu lassen. Oft muss ich mir dann räumlichen Abstand nehmen oder auf Konfrontationskurs gehen, um wieder klarer zu sehen, was denn nun eigentlich meine Wahrheit ist.

Aber wer hat im straffen Programm des westlichen Alltags schon Zeit zu sinnieren und zu fühlen?

Wo bleibt da die Unterhaltung und der Spaß? Man muss doch etwas tun, ansonsten ist die Zeit verschwendet. Herumsitzen und nichts tun geht nur, wenn Mary Juana mit von der Partie ist. Mit ihr fällt es vielen leichter, im Kopf wieder mal locker zu lassen, die Welt mit anderen Augen zu sehen.

Meine erste Schwangerschaft hat mich gut dabei unterstützt, nocheinmal alles in neuem Licht zu betrachten. Das Privileg, dass ein Mensch sich mir anvertraut hatte verlangte, dass ich das Allerbeste gab.

Nicht „gut genug“, sondern das Beste, was ich irgendwie herausholen konnte.

Das Beste bedeutet natürlich einerseits, dass es mir wirklich gut gehen muss, und ich wissen muss, was dafür notwendig ist, sowie andererseits dass ich wissen muss, was denn nun für unsere Situation das Beste ist. Allein schon durch die Erweiterung meiner Rollen von Frau zu Mutter, aber viel mehr noch durch die Konsequenzen, die ich aus der Ergründung dieser Fragen zog, haben mein Leben radikal verändert.

Vor meinem ersten Kind habe ich täglich Stunden damit verbracht, mich von oberflächlichen Unterhaltungs-Shows berieseln zu lassen. Zu Schulzeiten habe ich mich auch über sehr lange Zeit jedes Wochenende übel betrunken, und habe es vor Allem auch Dank diesen Betäubungsmitteln erst bis zum Abschluss geschafft.

Echte Lebensqualität war das.

In der Schwangerschaft bin ich dann schon langsam in die Mutter-Rolle gewachsen. Ich ging richtig darin auf, für meinen Mann zu kochen, der mittags nach Hause kam um zu essen, um dann wieder zur Arbeit zu gehen und materielle Sicherheit für unser Kind und mich zu schaffen. Auch in dieser Zeit brauchte ich das Fernsehen noch sehr, um nicht zu viel fühlen und meine Gedanken denken zu müssen. Es machte mich nach kurzer Zeit sehr unrund und nervös, zu lange nicht berieselt zu werden. Deswegen stand also der Kauf eines riesigen Flat-Screens an. Logisch, oder?

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Natur? Laaaaangweilig!

Oh Gott habe ich mich gefreut, als er geliefert wurde <3 Und der Postbote meinte noch, das wäre wohl ein guter Tag für meinen Mann.. Sexist 😀

Wer mich heute kennt, kann sich das kaum vorstellen.

Im Endeffekt habe ich dann auch nur einen „Nachmittag“ lang wirklich vor der Mattscheibe genießen können, als mein 24h-Baby mich mal ein, zwei Stunden nicht brauchte, und auch sonst nichts dringender war, als endlich mal wieder ein bisschen herunter zu kommen. Wenn er wach war wollte ich nichts im Hintergrund laufen haben. Und so lernte ich wieder, mit wenig Fernsehen zu überleben.

Es war dann in Wirklichkeit richtig befreiend.

Ich genoss die Ruhe in meinem Kopf so sehr, dass ich im Urlaub, als unser Baby ein halbes Jahr alt war, schwer überlegen musste, ob ich wirklich eine Doku schauen will, oder ob mir das zu viele Eindrücke sind. Ich habe danach sehr lange nur noch Videos geschaut, in denen jemand sprach, und sonst nichts passierte. Dieses Video zum Beispiel habe ich nach Monaten der Abstinenz zum Beispiel sehr gerne gesehen:

So musste ich eben zu den Büchern zurück 😉

Randinfo: Ich habe mich früher in Bücher geflüchtet. Oft habe ich am Weg von oder zur Bushaltestelle gelesen. Während ich ging. Und auch sonst praktisch immer und überall. Der Unterschied zu damals war, dass ich mental flexibler war, da ich nicht mehr so tief flüchten musste, und einen Job hatte, den ich als sinnvoll empfand.

Ich habe also Sachbücher zu den Themen die mich im Alltag beschäftigten aufgesaugt, anstatt mich mit Belletristik abzulenken. Dabei habe ich viel über mich selbst gelernt, über meine Programmierungen und Wunden, konnte meine Haltung zu vielen Dingen neu definieren und vor allem auch neue Idealbilder formen, an denen ich mich gerne orientierte.

Es war teils sehr emotional und tiefgreifend, vor Allem aber unglaublich heilsam.

Mit meinem sehr bedürfnisstarken Baby und einer unerkannten Wochenbettdepression war ich zwar absolut überfordert, aber wahrscheinlich war auch genau dieses intensive Leid notwendig dafür, dass meine teils unbewussten Annahmen und Glaubenssätze gesprengt wurden.

Ich war allein auf hoher See und durfte herausfinden, was nun wirklich richtig für mich und mein Kind ist, und was es wert ist, durchgesetzt zu werden.

Wie das mit der Durchsetzung läuft, übe ich immernoch.

Nach den ermüdenden Versuchen Einvernehmen herstellen zu können, bemühe ich mich nun, wie oben erwähnt, einfach auf die Dinge zu bestehen, die mir wichtig sind. Egal ob das jemanden stört oder verletzt. Schmeckt den Wenigsten, was mir natürlich ein weiteres Lernfeld zum Thema Abgrenzung erschließt. Eines der größten Themen, die mich schon lange begleiten.

Ich nehme also die Lektionen des Lebens an, so gut ich es eben hinbekomme.

Wenn ich mich danach fühle lache ich, und heule Rotz und Wasser sobald dieser Bereich des Spektrums dran ist. Ich erforsche auch wie es sich anfühlt, Wut frei auszudrücken und freue mich, wenn ich meine Liebe verschenke. Mein Gepäck ist schon viel leichter geworden, und ich bewege mich mit jedem durchlaufenen Prozess sicherer durch die Welt.

Ich war verzweifelt genug, um diesen Weg einzuschlagen, und bin dadurch fünf Köpfe größer geworden. Wünschen würde ich mir, dass du es ein bisschen leichter hast, und trotzdem die Früchte ernten kannst. Deshalb nimm dir bitte die Zeit und den Raum, einfach immer mal wieder zu denken und noch viel wichtiger, zu fühlen. Ganz tief und intensiv, komme was da wolle. Manchmal ist es vielleicht die Gewissheit, jetzt sterben zu müssen und andere Male die absolute Ekstase. Meistens aber irgendetwas dazwischen. Anfangs sieht es oft nicht danach aus, aber jeder Moment, den du dir schenkst um einfach nur anzuerkennen, welche Gefühle gerade in dir da sind, und sie mit ihrem Ausdruck zuzlassen, macht dein Leben um einiges reicher. Geh einfach durch und nimm die Wellen in dir wahr.

Inneren Frieden kann man nicht kaufen. Auch nicht um die sicherste Rente der Welt.

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Hier schreibt Mira. Hauptberuflich Lebenskünstlerin mit Fokus auf Heilkunde, Mutterschaft und die Entfaltungsprojekte.

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